Bekennender Heiner 2023

Dr. Peter Engels und Roland Dotzert

In diesem Jahr ehrt der Heimatverein Darmstädter Heiner e.V. Roland Dotzert und Dr. Peter Engels für die unentwegte Suche nach dem Ursprung der Heiner und der Geschichte unserer Stadt mit der Auszeichung "Bekennende Heiner".

 

Roland Dotzert - 
So kann ich demütig – danke sagen und eingestehen – ich freue mich!

Nie dürften sich die Entscheider zur Frage, wer könnte zum „Bekennenden Heiner“ gekürt werden, so geirrt haben wie mit meiner Person. Schon als Kind hörte ich nahezu täglich von meinen Eltern „heiner net so!“ Das habe ich mir zu Herzen genommen und ab da an ausschließlich Hochdeutsch gesprochen. Auch mit Woogswasser bin ich nicht getauft. Warum hätte Pfarrer Wintermann am 1. April 1947 im Marienhospital, wo ich getauft wurde, Wasser aus dem Woog holen sollen, wo doch der Forellenteich direkt vor der Klinik liegt. Also bin ich eigentlich Bessunger, wenngleich meine Eltern in Eberstadt wohnten.

Mit 1953 ging ich in die Volksschule in Bessungen, der Bessunger Knabenschule – ein damals eigentlich falscher Name, da auch Mädchen die Klassen füllten. Warum Bessunger Knabenschule? Da wollte ich unbedingt hin, weil dort die Feuerwehr ihren Standort hatte mit den Holzgaragen an der Mauer zum Orangeriegarten. Feuerwehrleute und Polizisten beeindruckten, war doch schließlich mein Vater damals Polizeihauptwachtmeister. Weil ich mich weigerte, die „höhere“ Schule zu besuchen, wurde als Kompromiss die Mittelschule angesteuert, also die Wilhelm-Leuschner-Schule, die ich als Schüler zwar ebenfalls ablehnte, aber abschloss. Ich bewarb mich bei der Stadt Darmstadt, die nicht wusste, was sie sich antat, als sie mich als Lehrling 1963 einstellte. Nach meinem Inspektorlehrgang arbeitet ich im Bereich Personal und Organisation im Polizeipräsidium an der Nieder-Ramstädter-Straße bei der damaligen Kommunalpolizei, bis die Bundeswehr glaubte, ohne mich wäre der Frieden in Gefahr. Nach 18 verlorenen Monaten trat ich denn in den Dienst des Hauptamtes, war als Schriftführer im Magistrat, verwaltete den Haushalt, das Rathaus in der Grafenstraße usw. Als die Stelle des Kulturamtsleiters vakant war, bewarb ich mich – und der Kulturbetrieb hatte ein Problem, das sich 1998 auflöste, weil ich zum Amtsleiter des Hauptamtes berufen wurde, bis zum 30. April 2012. Seitdem lebe ich von den Steuern der Darmstädter.

Im Hauptamt lernte ich meine Frau Ute kennen – kurze Wege erleichtern die Kommunikation. Unsere beiden Kinder - Tochter, Sohn - sorgen mit den fünf Enkeln für Betrieb. In Bessungen haben wir eine kleine Kate und sind Bessunger aus Überzeugung. Da wir 1973 zur Eheschließung keine geeignete Wohnung in Darmstadt fanden, zogen wir für rund acht Jahre nach Griesheim, unvorstellbar! Aber das liegt ja nun lange zurück.

Kommen wir noch einmal zurück zum „Bekennenden Heiner“. Wem es gut geht, sollte der Gemeinschaft etwas zurückgeben. Da habe ich mir Ehrenämter ausgesucht. DLRG Eberstadt, Interessengemeinschaft Eberstädter Vereine, SPD, Verein „Buch des Monats“, Darmstädter Förderkreis Kultur, Heimatverein Darmstädter Heiner, Freunde des Fachbereichs Gestaltung – überall im Vorstand. Und bei Stadtteiljubiläen immer aktiv eingebunden: in Eberstadt, in Arheilgen, in Bessungen war zwar Arbeit zu verrichten, aber letztlich hat das alles viel Freude bereitet. Und ich habe mich – auch aus Interesse- mit der Stadtgeschichte befasst. Das führte letztlich dazu, dass ich auch publiziert habe. Über die Straßennamen in Bessungen, über das Waldvillenviertel in Eberstadt, über die Kuhschwanzecken in Bessungen und im Martinsviertel, über die Darmstädter Kommunalpolitik der Nachkriegszeit, über die Europastadt Darmstadt mit ihren Partnerstädten, über die Geschichte des Karnevalvereins Bessungen, über die Schwimmbäder in Eberstadt, über das Thema „Schwimmen und „Retten“, über die Geschichte eines Eberstädter Schwimmvereins vor über 100 Jahren sowie Aufsätze in Fachveröffentlichungen. Mitherausgeber des Buches „Kunst im öffentlichen Raum in Darmstadt“ und Mitherausgeber des Stadtlexikons Darmstadt sollten nicht unerwähnt bleiben. Rund 100 Artikel in vorgenannter Publikation habe ich verfasst.

Ein besonderes Hobby habe ich mit der Zeit gepflegt. Sebastian Dang hatte es mir angetan mit seinem Darmstädter Wörterbuch. Da in diesem Buch der Darmstädter Dialekt beschrieben wird in Kapiteln mit Anlässen, Lebensformen usw. ist es nicht so leicht, nach einem bestimmten Wort gezielt zu suchen. Ich habe deshalb die Langenscheidt-Variation gewählt. Alle Dialektworte mit der hochdeutschen Entsprechung versehen – und umgekehrt Hochdeutsch in Bezug zum Heinerdialekt zu bringen. Immerhin rund 8.300 Wörter sind so in beiden Teilen dokumentiert. Das allerdings nur als Exel-Datei, die ich zwei/drei Freunden, die sich ebenfalls der Mundart widmen, zur Verfügung stellte. Publiziert ist das nicht. Auch wenn ich, wie ausgeführt, selbst keine Mundart spreche, kann ich beispielsweise die 14-tägige Kolumne vom Breweldibbe Charly genau so flüssig lesen wie die anderen Echo-Artikel.

Um dem Ernst des Lebens etwas entgegenzusetzen, sammele ich seit Jahrzehnten Witze. Gelegentlich schaue ich mit ein Paar von den über 5.000 word-gelisteten Witze an – und schon verbessert sich die Laune.

Bis vor Corona war die Teilnahme an allen Stadtteilfest eine selbstauferlegte Pflicht. Watzeverdel, Oarhellje, Ewwerscht, Siedlung, selten Wixhause, Kranichstaa, Waldkolonie, Johannesverdel, Bessunge mit Ludwigsheh, Frankestaa – es hat Spaß gemacht, insbesondere das Flachsen mit Freunden und Bekannten. Ja, ich bekenne mich zu meiner Heimatstadt Darmstadt, auch wenn mir die eine oder andere Entwicklung nicht unbedingt gefällt. Das kann allerdings auch altersbedingt sein.

So kann ich nur demütig – auch angesichts der bisher gekürten Bekennenden Heinerinnen und Heiner – danke sagen für diese Würdigung und eingestehen – ich freue mich!

 

 

Dr. Peter Engels - 
Als Historiker verstehe ich mich auch als Teil des kulturellen Lebens dieser Stadt,

Der „Bekennende Heiner“ ist für mich der logische Weg zum Heinersein, denn als geborener Rheinländer muss ich mich als Heiner ja erst bekennen, da ich nicht als ein solcher sozialisiert wurde. Als rheinische Frohnatur wird man gerne automatisch mit dem Karneval in Verbindung gebracht. Das Heinerfest ist für den Rheinländer aber eher eine Variante der großen Kirmesfeste, etwa der Düsseldorfer Rheinkirmes, wo man mich regelmäßig antreffen konnte, allerdings weniger an Bierständen als in der Achterbahn, die ich in jeglicher Version und Geschwindigkeit mit Begeisterung fuhr. Viel Zeit verbrachte ich auch auf der Kirmes meiner Geburtsstadt Haan, nur wenige Kilometer von Hilden entfernt, wo ich Kindheit und Jugend verbrachte. Ins benachbarte Düsseldorf zogen mich als Heranwachsenden vor allem die Altstadt, die viel besungene längste Theke der Welt, und die Heimspiele von Fortuna Düsseldorf. 

Allerdings verdiente ich mir meine ersten Sporen als Vortragsredner in der Tat im Karneval. Im zarten Alter von 11/12 Jahren hielt ich meine ersten Büttenreden beim Kinderkarneval der Hildener Narrenakademie. Etwa zur selben Zeit besang ich als Hintergrundsänger meine erste – und bisher einzige – Schallplatte mit einem Lied, das 1972 einen Preis als bestes neues Düsseldorfer Karnevalslied errungen hatte. Zum Glück ist „Et wor mal widder prima, et wor mal widder schön“ heute völlig dem Vergessen anheim gegeben, nicht mal in Düsseldorf erinnert man sich noch daran.

So mit rheinischer Wesensart geimpft kam für mich nur das Studium an der Universität zu Köln infrage, wo ich mich rund ein Jahrzehnt lang den Studien der Geschichte, der Musikwissenschaft und der lateinischen Philologie widmete und diese mit der Promotion 1990 beschloss. Meine Bundeswehrzeit in Köln-Porz mit eingerechnet, habe ich mich gut dreizehn Jahre in Köln getummelt, bin aber im Herzen dennoch Düsseldorfer geblieben; das Schicksal der DEG und von Fortuna Düsseldorf bewegt mich nach wie vor mehr als Nachrichten über die Kölner Haie und den FC.

Nach einem halben Jahr der Ausbildung am Staatsarchiv Münster schlug ich dann bereits im Herbst 1991 meine Zelte in Hessen auf, zunächst im idyllischen Marburg, wo ich an der Archivschule mein Referendariat absolvierte.

Danach also Darmstadt. Schon als Kind war ich einige Male hier. Regelmäßige Besuche bei Tante und Onkel im idyllischen Worfelden führten hin und wieder zu Ausflügen auf die Mathildenhöhe und ins Landesmuseum, ich erinnere mich aber kaum noch daran. Mein beruflicher Einstieg in Darmstadt fiel dann praktischer Weise mit dem Heinerfest 1993 zusammen: Einarbeitung in das neue Berufsfeld und zugleich in die Darmstädterei.

Seit dem 1. Juni 1993, also ziemlich genau seit 30 Jahren, bin ich nun als Leiter des Stadtarchivs Darmstädter, habe hier gemeinsam mit meiner ebenfalls aus Hilden stammenden Frau Wurzeln geschlagen, und wir haben zwei Töchter, die geborene Darmstädterinnen sind, wenn auch nicht mit Woogswasser getauft.

Darmstadt ist die Stadt, die mich am meisten geprägt hat, weil ich hier einen wesentlichen Teil meines Erwachsenenlebens verbracht habe und noch verbringe und als Stadthistoriker tief in die historischen Entwicklungen und ihr Werden eingetaucht bin, und auf diesem Wege ebenso tief in die Entstehung und das Wesen der Darmstädterei.

Seitdem versuche ich mit gewissem Erfolg, stadt- und regionalgeschichtliches Wissen durch die Veranstaltung von Vorträgen bei uns im Haus der Geschichte sowie durch Ausstellungen und Publikationen zu vermitteln. Als Historiker verstehe ich mich auch als Teil des kulturellen Lebens dieser Stadt, eines Lebens, das durch den Austausch und die Zusammenarbeit verschiedener Kulturträger immer wieder ein ungemein fruchtbares und produktives Miteinander zu Stande bringt.

Diesen Austausch werde ich weiter pflegen, auch wenn mich in gut zwei Jahren meine Pensionierung ereilen wird. Die Auszeichnung als „Bekennender Heiner“, für die ich mich sehr bedanke, soll dabei als Ansporn dienen, mich auch in Zukunft für diese Stadt, ihre Menschen und ihre Kultur einzusetzen.